Im Fall eines Pflichtpraktikum, welches nach einer hochschulrechtlichen Bestimmung Zulassungsvoraussetzung für die Aufnahme eines Studiums ist, haben die Praktikanten keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn.

 

Der Fall

Im folgenden Fall (5 AZR 217/21) wird die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. März 2021 – 8 Sa 206/20 –  zurückgewiesen.

Die Parteien streiten über Vergütung nach dem Mindestlohngesetz für die Zeit eines Vorpraktikums vor Aufnahme eines Medizinstudiums. Die Klägerin beabsichtigte, sich an der staatlich anerkannten privaten Universität Witten/Herdecke um einen Studienplatz im Fach Humanmedizin zu bewerben. Nach § 3 Ziff. 2 der Studienordnung der Universität Witten/Herdecke für den Modellstudiengang Medizin idF vom 26. April 2018 (iF Studienordnung) ist Zugangsvoraussetzung zu diesem Studiengang ua. ein sechsmonatiger Krankenpflegedienst. Vor diesem Hintergrund wandte sich die Klägerin an die Beklagte, die in T ein Krankenhaus betreibt, um dort ein Praktikum durchzuführen. Vor dessen Beginn legte sie der Beklagten auf deren Aufforderung einen Nachweis der Universität über die Erforderlichkeit eines sechsmonatigen Pflichtpraktikums vor.Die Parteien streiten über Vergütung nach dem Mindestlohngesetz für die Zeit eines Vorpraktikums vor Aufnahme eines Medizinstudiums.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung von Vergütung für geleistete Arbeit für die Zeit vom 20. Mai bis zum 17. September und vom 23. September bis zum 29. November 2019 sowie von Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit vom 18. bis zum 20. September 2019 und Urlaubsabgeltung für anteilige zehn Tage auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns von – damals – 9,19 Euro brutto verlangt. Sie habe im Rahmen einer 5-Tage-Woche täglich 7,45 Stunden Arbeit geleistet, die sich von der Vor-/Nachbereitung der Mahlzeiten und Hilfestellung bei der Einnahme durch die Patienten über die Begleitung der Patienten zu Untersuchungen, dem Aufräumen und Säubern der Zimmer und Betten, Botengängen im Krankenhaus, dem Aktensortieren, der Unterstützung der Krankenschwestern bei der Körperhygiene der Patienten bis hin zum Vorbereiten von OP-Betten erstreckt habe. Ein Vorpraktikum vor Aufnahme eines Studiums sei kein Pflichtpraktikum iSd. Mindestlohngesetzes, daher greife die gesetzliche Ausnahme von der Vergütungspflicht nicht ein.

Die Klägerin hat beantragt die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin über 10.000 Euro brutto nebst Zinsen iHv 5% über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Entscheidung 

Das von der Klägerin geleistete Vorpraktikum war ein Pflichtpraktikum iSv. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG, weil es obligatorisch aufgrund der hochschulrechtlichen Bestimmung des § 3 Ziff. 2 der Studienordnung zu leisten war.

§ 22 Abs. 1 Satz 3 MiLoG enthält für das Mindestlohngesetz eine Legaldefinition des Praktikanten, die sich an die Empfehlung des Rates der Europäischen Union vom 10. März 2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika anlehnt (BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24; BAG 18. November 2020 – 5 AZR 103/20 – Rn. 20). Für die Einordnung als Praktikantin oder Praktikant iSd. Mindestlohngesetzes ist diese Legaldefinition maßgeblich, auch wenn § 22 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 MiLoG von „Praktikantinnen und Praktikanten im Sinne des § 26 des Berufsbildungsgesetzes“ spricht, denn die Begriffsbestimmung in Satz 3 der Norm wurde nach dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers aus Gründen der Rechtsklarheit aufgenommen (vgl. BT-Drs. 18/2010 (neu) S. 24). Dagegen enthält § 26 BBiG, der Regelungen für „andere Vertragsverhältnisse“ trifft, keine eigenständige Definition des Praktikums, sondern setzt ein bestimmtes Begriffsverständnis voraus.

Der Mindestlohnanspruch ist ausgeschlossen, weil es sich bei dem von der Klägerin geleisteten Vorpraktikum um ein aufgrund einer hochschulrechtlichen Bestimmung verpflichtendes Praktikum iSv. § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 MiLoG gehandelt hat.

Die Revision der Klägerin ist, soweit zulässig, unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen. Die Klage auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns ist unbegründet.

 

Wenn Sie die komplette Dokumentation lesen möchten, können Sie die Entscheidung des Bundesarbeitsgericht hier finden. Wenn Sie sich für das Thema interessieren und sich eine rechtliche Beratung im Thema Arbeitsrecht sind wir die richtige Ansprechpartner für Sie.

 

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Seiten
Kategorien

Entdecke mehr von Arbeitsrecht horak. Rechtsanwälte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen