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Die Parteien streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Beklagten das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. November 2015 wirksam fristlos bzw. wirksam ordentlich mit Ablauf des 31. Dezember 2015 kündigen konnten. |
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Zum Kündigungszeitpunkt war die Klägerin 52 Jahre alt. Sie ist verheiratet. Die Beklagten betreiben eine radiologische Praxis mit ca. 40 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Die Klägerin arbeitete seit dem 01. Juli 2012 als medizinische Fachangestellte für die Beklagten. Sie verdiente monatlich 1.950,– Euro brutto. Im Kalenderjahr wurden ihr 13 Bruttomonatseinkommen gezahlt. § 2.1.1 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 30. April 2012 hielt Folgendes fest: |
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„Der Arbeitnehmer ist insbesondere verpflichtet,
1. alle Praxisvorgänge sowie die Namen aller Patienten geheim zu halten und ihm/ihr überlassene Geschäftsunterlagen bei Ausscheiden wieder zurückzugeben. Er ist darüber belehrt, dass die Verletzung der Schweigepflicht strafrechtliche Konsequenzen gem. § 203 StGB nach sich zieht. Diese Schweigepflicht besteht auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.“ |
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Die Klägerin war in der Praxis der Beklagten u.a. für die Terminverwaltung zuständig. Am 22. Oktober 2015 sagte eine Patientin, die sowohl der Klägerin als auch ihrer Tochter persönlich bekannt war, einen vereinbarten Untersuchungstermin ab. Die Klägerin rief das elektronisch gespeicherte Terminblatt der Patientin auf. Aus dem Terminblatt ist ersichtlich: Name und Geburtsdatum der Patientin, zu untersuchender Körperbereich und damit korrespondierend das für die Untersuchung zu reservierende MRT-Gerät. Nachdem das Terminblatt auf dem Bildschirm erschienen war, fotografierte die Klägerin es mit Hilfe ihres Smartphones und leitete das Foto, mit einem Kommentar versehen, per WhatsApp an ihre Tochter weiter. |
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Vom 09. bis zum 15. November 2015 war die Klägerin arbeitsunfähig. Am 09. November rief der Vater der Patientin, die am 22. Oktober abgesagt hatte, in der Praxis der Beklagten an. Er beschwerte sich darüber, dass die Tochter der Klägerin im Sportverein die WhatsApp-Nachricht ihrer Mutter weitergezeigt habe. Die Klägerin habe das Foto des Terminblatts mit dem Kommentar versehen „Mal sehen, was die schon wieder hat…“ Seine Tochter habe hiervon erfahren. Die Beklagten hörten die Klägerin nach ihrer Wiedergenesung am 16. November zu den Vorwürfen des Vaters der Patientin an. Die Klägerin räumte ein, das Foto an ihre Tochter weitergeleitet und es mit dem Satz „mal sehen, was die schon wieder hat…“ kommentiert zu haben. |
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Der Klägerin wurde mit Schreiben vom 17. November (Anlage K 1 zur Klagschrift, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 11 ff.) fristlos, hilfsweise ordentlich gekündigt. Das Kündigungsschreiben ging ihr am 18. November zu. Am 24. November erreichte die Beklagten das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 23. November. Die Klägerin wies mit diesem Schreiben die Kündigung vom 17. November zurück, weil nicht ersichtlich sei, dass die Unterzeichnerin C. in Vollmacht für alle Beklagten gekündigt habe. Die dem Kündigungsschreiben beigefügte Vollmacht war von Dr. B. nicht unterschrieben worden. |
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Die Beklagten kündigten das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26. November 2015 (Anlage K 3 zur Klagschrift, Arb Bl. 17 ff.) fristlos, hilfsweise ordentlich. Das Kündigungsschreiben wurde am selben Tag um 12.05 Uhr in den Briefkasten der Klägerin geworfen. Die Klagschrift ging am 04. Dezember beim Arbeitsgericht ein und wurde dem überwiegenden Teil der Beklagten am 10. Dezember 2015 zugestellt. Die Klägerin hat seit Februar 2016 eine neue Arbeitsstelle. |
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Die Klägerin hat vorgetragen,
die Kündigung vom 26. November 2015 sei unverhältnismäßig, eine Abmahnung hätte ausgereicht. Sie habe sich falsch verhalten und bereue das. Ein weiteres Fehlverhalten werde nicht wieder vorkommen. Unabhängig davon sei ihr Fehlverhalten auch nur geringfügig. Sie sei von den Beklagten nicht darauf hingewiesen worden, dass sie noch nicht einmal ihren direkten Verwandten Namen von Patienten mitteilen dürfe, die ihr persönlich bekannt seien. Sie habe sich nichts dabei gedacht, als sie das Foto an ihre Tochter weitergeleitet habe. |
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Die Klägerin hat, soweit für das Berufungsverfahren erheblich, beantragt, |
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3. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.11.2015 nicht beendet wurde, |
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4. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 26.11.2015 nicht beendet wurde, |
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6. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als medizinische Fachangestellte in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 1.950,00 weiter zu beschäftigen. |
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Die Beklagten haben beantragt, |
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Sie haben vorgetragen,
das Verhalten der Klägerin erfülle den Straftatbestand des § 203 Abs. 3 Satz 2 StGB und sei daher ein wichtiger Grund, das gemeinsame Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Bei den medizinischen Dienstleistungen der radiologischen Praxis nehme der Umgang mit vertraulichen Patientendaten einen hohen Stellenwert ein. Die Klägerin habe als medizinische Fachangestellte jederzeit Zugriff auf Patientendaten gehabt. Wenn sie (die Beklagten) Mitarbeiterinnen beschäftigten, die den vertraulichen Umgang mit Patientendaten nicht respektierten, werde sich ihr Patientenaufkommen reduzieren. |
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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 16. Februar 2016 die Kündigung der Beklagten vom 17. November 2015 gem. § 174 BGB für unwirksam erachtet, ohne dies im Urteilstenor zum Ausdruck zu bringen. Im Hinblick auf die Kündigung der Beklagten vom 26. November 2015 hat es die Klage abgewiesen. Das Verhalten der Klägerin stelle an sich einen wichtigen Grund dar, das Arbeitsverhältnis der Parteien außerordentlich zu kündigen. Die Klägerin habe sowohl ihre arbeitsvertragliche Pflicht, Patientendaten geheim zu halten, verletzt, als auch den Straftatbestand des § 203 Abs. 1 i.V. mit Abs. 3 Satz 2 StGB erfüllt. Eine Abmahnung der Klägerin sei angesichts ihres strafbaren Verhaltens nicht erforderlich gewesen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei den Beklagten nicht zumutbar gewesen. Sie hätten sonst befürchten müssen, Patienten zu verlieren bzw. potentielle Patienten nicht für sich gewinnen zu können. Dagegen habe die Klägerin auch in Ansehung ihres Alters als medizinische Fachangestellte auf dem regionalen Arbeitsmarkt gute Aussichten auf eine Neuanstellung gehabt. |
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Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. März 2016 zugestellt. Die Berufung ging am 12. April, die Berufungsbegründung am 13. Mai beim Landesarbeitsgericht ein. Die Berufungsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 24. Mai zugestellt. Die Berufungserwiderung erreichte am 07. Juni 2016 das Landesarbeitsgericht. |
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Die Klägerin trägt vor,
ihr könne kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorgeworfen werden. Sie habe nicht vorsätzlich gehandelt. Sie habe am 22. Oktober 2015 gesehen, dass eine ihr und ihrer Tochter bekannte Patientin einen Termin in der Praxis vereinbart gehabt habe. Ohne überhaupt darüber nachzudenken, ob ihr Verhalten erlaubt sei oder nicht, habe sie das Terminblatt fotografiert und es an ihre Tochter übersandt. Sie habe ihre Tochter damit über den ursprünglich vereinbarten Untersuchungstermin der Patientin informiert, aber keine Diagnose mitgeteilt. (Erstmals mit Schriftsatz vom 13. Juli 2016:) Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, welchen Begleittext sie der Fotografie beigefügt habe. |
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Sie sei einem Verbotsirrtum unterlegen. Ihre Ausbildungszeit liege mehr als 30 Jahre zurück. Ob sie damals detailliert über die Reichweite der von ihr zu wahrenden Geheimhaltungspflichten unterrichtet worden sei, wisse sie nicht mehr. Ebenso wenig habe sie am 22. Oktober 2015 gewusst, was sie im Detail 3 1/2 Jahre zuvor im Arbeitsvertrag unterzeichnet habe. Die Beklagten hätten es unterlassen, sie eindeutig auf ihre besonderen Verschwiegenheitspflichten hinzuweisen. Sie sei sich deshalb am 22. Oktober nicht bewusst gewesen, falsch zu handeln. Eine vorsätzliche Vertragsverletzung könne ihr nicht vorgeworfen werden. |
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Es hätte daher ausgereicht, sie abzumahnen. Ggf. hätten die Beklagten sie anweisen können, das Smartphone nicht mehr an den Arbeitsplatz mitzunehmen. Tägliche Taschenkontrollen hätten leicht für die Einhaltung der Anweisung sorgen können. |
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Im Übrigen sei die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht erforderlich gewesen, weil sonst die Gefahr bestanden hätte, dass die Beklagten Patienten verlören. Allein auf Grund der räumlichen Entfernungen zwischen ihrem Wohnumfeld, dem der ehemaligen Patientin, die jetzt in Freiburg lebe, und der radiologischen Praxis gehe das Risiko des Patientenverlustes bei einer Großstadt mit ca. 300.000 Einwohnern gegen Null. |
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unter Abänderung des Urteils vom 16.02.2016 wie folgt zu entscheiden: |
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1. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 26.11.2015 nicht beendet wurde. |
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2. Festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 26.11.2015 nicht beendet wurde. |
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3. Die Beklagten zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits als medizinische Fachangestellte in Vollzeit zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 1.950,00 zu beschäftigen. |
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Die Beklagten beantragen, |
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die Berufung der Berufungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim unter Aktz.: 1 Ca 437/15 zurückzuweisen. |
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Sie tragen vor,
ihnen sei die Weiterbeschäftigung der Klägerin auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar gewesen. Das Verhalten der Klägerin sei nicht erlaubt gewesen. Sie betrieben eine Spezialpraxis, die ein besonderes Vertrauen in der überweisenden Ärzteschaft in Anspruch nehme. Ein Fehlverhalten in ihrer Praxis falle auch auf die überweisenden Ärzte zurück. Sie könnten das Vertrauen der Kollegen nur in Anspruch nehmen, wenn sie dieses rechtfertigten. Das Verhalten der Klägerin habe weder bei den Patienten noch in der Ärzteschaft Vertrauen geschaffen. Bei Missbrauch von Patientendaten müssten die überweisenden Ärzte wissen, dass die betreffende Mitarbeiterin nicht mehr bei ihnen (den Beklagten) arbeite. Auch der Patient, der sich berechtigterweise über den Datenmissbrauch beschwert habe, wolle die betreffende Mitarbeiterin nicht mehr sehen. Sie hätten aber keinen Arbeitsplatz ohne Patientenberührung. |
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